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Image of the GT Grade Carbon 105 bike

 

Ein Fahrrad für Frühlingsklassiker - Das GT Grade

Gravel Bikes haben in den letzten Monaten in der Presse immer mehr an Bedeutung gewonnen und wahrscheinlich zu Recht. Sie sind ein ganz neue Art von Rennrädern: mit einer entspannteren Geometrie, mehr Komfort und größeren Reifen sowie einem  größeren Reifenabstand, breiteren Lenkern und, was besonders entscheidend ist, Scheibenbremsen.

Sind das nicht ganz einfach Cyclo-Cross Räder? Nein, nicht wirklich. Ihre Geometrie ähnelt eher der von Sporträdern mit einem größeren Steuerrohr, einem kürzeren Oberrohr und einem  längeren, stabileren Radstand. Auch die Abstände sind nicht so groß wie bei Crossrädern. Das Ergebnis ist eigentlich ein Sportrad mit größeren Reifen und Scheibenbremsen, eine Kombination, die sich bestens für lange Tage im Sattel auf unebenen Straßen eignet aber auch für Schotterwege an normalen Sonntagsausflügen.

Das GT Grade Carbon 105 ist eins der interessantesten und innovativsten Gravel Bikes. Es ist mit neuen für Rennräder kompatiblen Scheibenbremsen und einem kompletten 105 Antrieb ausgestattet. Aber was eigentlich ins Auge fällt, ist der Rahmen. Auf Grundlage der neuesten Forschungen auf dem Gebiet der Glasfasertechnologie, haben GT ein hinteres Dreieck entworfen, das Sitzstreben aus robusten Glasfasern besitzt, welche von Carbon umhüllt sind, anstatt ein Rohr aus Vollcarbon zu verwenden. Das Ergebnis ist eine wesentlich flexiblere Strebe, die deutlich mehr Komfort bietet. Auch der Rahmen bietet genügend Spielraum, um Schutzbleche oder einen Gepäckträger, selbst bei großen 28c Reifen anzubringen (ideal für Pendeltouren). Zudem ist er beeindruckend leicht und zugleich robust.

Auch wenn wir im Süden Englands nicht gerade von Schotterwegen, wie man sie typischerweise in Amerika findet, umgeben sind, haben wir dennoch unzählige Reitwege und Feuerschneisen, die im Vergleich zu Radtouren auf normalen Straßen für ein wenig Ablenkung sorgen, wenn ihr ein Gravel Bike, wie das GT besitzt. Eine kürzliche Tour auf den mit Pflastersteinen übersähten Wegen in Belgien bot eine weitere interessante und alternative Mischung aus Gelände- und Straßentour, bei der wir das GT Grade einem ausführlichen Test unterzogen. Ist ein Gravel Bike eine gute Wahl für Frühlingsklassiker?

Photo of the GT Grade Carbon 105 bike

Größere Reifen. Größerer Spielraum. Mehr Komfort?

Größere Reifen und bombensichere Laufräder sind wichtige Eigenschaften für Frühlingsklassiker, aber auch für Pflastersteine selbst. Sie sind unverzichtbar, um Komfort und Kontrolle zu gewährleisten. Die 28c Reifen und der Stan's NoTubes Grail Laufradsatz, die sich an dem GT Grade Carbon finden lassen, schienen mir eine gute Wahl zu sein, das sie die ständigen Stöße und Vibrationen auf den Straßen in Flandern dämpfen können.  

Der Grail Laufradsatz besteht aus besonders breiten Felgen, durch die die 28c Reifen die vollständige Breite ihres Profils entfalten können. Sie wirken sicherlich bedeutend größer als eure Standard 23c oder 25c Reifen und natürlich könnt ihr sie auch mit schlauchlosen Tubeless Systemen verwenden, was sinnvoll ist, um Pannen und Durchschnitte auf unebenem Gelände zu vermeiden.

Aber nicht nur die Reifen selbst sondern auch der Spielraum der Reifen ist groß. Das GT Grade bietet so genügend Platz für durchgehende Schutzbleche sowie für die 28c Reifen und ihr könntet wahrscheinlich auch mit Mühe und Not 32c Reifen unterbringen. Eigentlich wäre dieser größere Spielraum auf den sandigen Straßen Flanderns nicht notwendig gewesen, aber wenn die Schotterstraßen und Pfade, auf denen ihr unterwegs seid, mit klebrigem Lehm übersät sind, ist zusätzlicher Platz zwischen den Laufrädern sehr zu begrüßen.

Ausschlaggebend für mehr Komfort des Grades sind auch die Sitzstreben, welche zwar hauchdünn erscheinen, allerdings super robust sind und eine versöhnliche Fahrt garantieren. Beim Rasen über das Kopfsteinpflaster fühlten sie sich wesentlich geschmeidiger an, als die  das hintere Ende von normalen Rennrädern.

Die Kombination aus breiteren Felgen, breiteren Reifen und flexibleren Streben sorgt dafür, dass sich das GT Grade auf geländeartigem Kopfsteinpflaster tatsächlich besser anfühlt und sich auch besser fahren lässt als ein normales Rennrad. Es wurde wahrscheinlich speziell für Schotterwege hergestellt, allerdings funktioniert es auch auf gepflasterten Straßen (und felsigen Pfaden) hervorragend.

Close up of the rear wheel and seat post of the GT Grade Carbon 105 bike

Zuverlässiges und robustes Getriebe

Das Modell des GT Grade, das ich getestet habe, ist mit Shimano 105 Komponenten ausgestattet, wozu ein kompakter Kurbelsatz und eine umfangreiche Kassette mit 11-32 Zahn zählen. Ziemlich ähnlich wie beim Laufradsatz, handelt es sich hier um ein Gruppenset, das sich sowohl für die Straße als auch für abgelegene Wege eignet.

Dank der Kassette mit 11-32 Zahn und dem kompakten Kurbelsatz konnte ich sogar die Steigungen des Koppenberg und Molenberg von 20%+ gut meistern, obwohl sie sich eigentlich auch gut für die flachen Landstraßen in Flandern bei Radtouren mit Rückenwind eignen. Ein gutes Gravel Bike muss steile Anstiege nehmen können und das wird definitiv durch GTs Wahl des Getriebes gewährleistet.

Das 105er Gruppenset ist an sich schon robust, wenn es jedoch zusammen mit einem Kabel mit durchgehender Außenummantelung und abgedichteten Treibscheiben montiert wird, ist es nahezu wartungsfrei und verursacht keine Probleme. Es hat erfolgreich Schmutz und Sand in Belgien abgehalten, was mir sehr entgegen kam, da ein ständiger Gangwechsel bei fröstelnder Kälte das letzte war, was ich tun wollte.  

Close up of the rear Shimano chainset and cassette on the GT Grade Carbon 105 bike

Scheibenbremsen?

Wir alle wissen, dass die Verwendung von Scheibenbremsen an Mountainbikes beinahe heilig ist. Aber sind sie auch die richtige Wahl für Gravel Bikes, die sich auch Geländerennen stellen müssen?

Das GT Grade war das erste Rennrad mit Scheibenbremsen, das ich getestet habe  und meine Ansichten darüber waren geteilt. Die Bremsgriffe sind merklich größer (um die Hydraulik-Technologie unterzubringen) und die erste Anbringung der Scheibe hat ein bisschen mehr Zeit in Anspruch genommen. Als ich schließlich fertig war, wurde mir klar, dass diese Bremsen ein wirklich nützlicher Zusatz bei staubigen und feuchten Wetterbedingungen sein könnten (wovon wir bei unserer Flandern-Tour jede Menge hatten).

Sobald wir auf der Straße waren, gab die Scheibe zu Beginn ein paar Geräusche von sich, da Sand in den Bremsschuh flog und in den engen Zwischenräumen der Bremsscheibe stecken blieb. Allerdings ließ dies nach einiger Zeit nach (sobald  die Bremsschuhe richtig eingebettet waren) und es gab weder Quietschgeräusche noch Vibrationen, wie man es manchmal bei Scheibenbremsen bemerken kann.  Die Bremskraft war bei nassen Bedingungen im Vergleich zur einer Felgenbremse auf jeden Fall besser und mir wird bewusst, dass die Lebensdauer des Bremsschuhs ebenfalls deutlich länger ist. Nicht mehr vorhanden sind die Schleifgeräusche der Felgen, anstatt dessen erhaltet ihr ein gutes und fortschrittliches Bremsgefühl. 

Nachdem ich mich an die größeren Bremsgriffe (die beim Fahren auf Pflasterstein für eine bequeme Handposition sorgten) gewöhnt hatte, erschienen mir die Scheibenbremsen eine gute Wahl für Bedingungen bei Frühlingsklassikern zu sein. Ich denke, dass das vordere Steckachsendesign eine sehr sinnvolle Idee von GT war, flexible Carbongabeln und Schnellspanner neigen dazu, an der Scheibe zu reiben. Alles in allem scheint das neue Hydrauliksystem zu Recht seinen festen Platz an Cylocross und Gravel Bikes gefunden zu haben und hilft dabei, viele Probleme von ungleichmäßigen Schaltvorgängen bei nassen oder staubigen Wetterbedingungen im Frühling aus dem Weg zu räumen.

Close up of the disc breaks and handlebars on the GT Grade Carbon 105 bike

Ist das Grade besser als der Rest?

Das GT Grade erhielt große Aufmerksamkeit in den Medien. Es gewann als ‘Fahrrad des Jahres' bei der Eurobike 2014 und dank seiner bleistiftdünnen Sitzstreben aus robuster Glasfaser, seinen geschwungenen Lenkern und dem Rahmen mit dreifachem Dreieck zieht es immer noch viele in den Bann. Aber ist diese Aufmerksamkeit gerechtfertigt? Haben Gravel Bikes bereits einen festen Platz eingenommen?

Für lange Schotterstraßen und Feuerschneisen, wenn eure Touren zur Hälfte aus Asphalt und zur Hälfte aus Steinen bestehen können, haben Gravel Bikes sicherlich schon einen festen Platz eingenommen. Sie sind viel senkrecher und bequemer, als sein Cyclocorss-Rad, aber zugleich auf unebenem oder lockerem Terrain auch wesentlich kontrollierbarer als sein Rennrad. Gravel Bikes scheinen auch auf gepflasterten Abschnitten gut zu funktionieren, da sie Stöße dämpfen und ein Hochfahren von fast unbezwinglich erscheinenden Steigungen ermöglicht. Ganz egal, ob ihr einen Pfad in den South Downs runterrast oder das Kopfsteinpflaster in den Ardennen in Angriff nehmt, dieses wäre genau das richtige Rad dafür.

Das GT Grade verdient seinen Platz auf dem Podium als eines der Top Gravel Bikes. Die Rahmenkonstruktion ist hervorragend mit flexiblen Sitzstreben, aber starrer Vorderseite, einer Reifenfreigängigkeit, die eine Anbringung von Schutzblechen ermöglicht und eine aufrechtere aber kontrollierbar Geometrie. Seine Komponenten sind ebenfalls perfekt, egal, ob ihr die Option Ultegra mit höherer Qualität oder die preiswertere Version wählt, ihr werdet ein zuverlässiges und strapazierfähiges Paket erhalten mit schlaulosem Laufradsatz, der einen zusätzlichen Bonus bietet.

Das Testen des Grade war eine interessante und beeindruckende Erfahrung. Es konnte alle Herausforderungen, denen ich es ausgesetzt habe, meistern und bot ein angenehmes Gefühl und vollste Kontrolle. Falls ihr auf der Suche nach einer sportlicheren Geometrie seid, um ein wenig abgelegenere Strecken entlang zu fahren, lohnt es sich, über den Kauf dieses Rads nachzudenken.

Photo of the GT Grade Carbon 105 bike